Jineolojî und Bildung
Wenn Bildung die Weitergabe der gelebten Erfahrungen und des lokal vermittelten Wissens ist, das durch die Gesellschaft an die neuen Generationen weitergegeben wird, dann ist die erste Lehrerin der Gesellschaft die Natur. Die Natur schuf sich selbst während der evolutionären Entwicklung des Universums in Millionen von Jahren. Eine Person, die sich während dieses Prozesses entwickelt hat, hat ihren Weg in das Abenteuer des Mensch-Seins eingeschlagen, indem sie die Natur kennt, ihre Sprache lernt, auf ihre Warnungen und Lektionen hört und sie alle fühlt. Frauen waren die ersten Schülerinnen der Natur und die ersten Lehrenden der Gesellschaft. Sie bildeten sich, Männer und Kinder. Frauen vergaßen auf dem langen und herausfordernden Weg dieses sozialen Abenteuers nie ihre Rolle als Schülerin der Natur und lehrende Mutter der Gesellschaft. Da sie nicht die Quelle ihres Wissens, die Wege ihres Lernens, die Heiligkeit des Lehrens leugneten, wussten Frauen immer gut, für wen, was, wie und wann sie lehren sollten.
Das Ziel der Jineolojî ist es das Konzept von «perwerde» (das kurdische Wort für Bildung, das sich von Ausdrücken ableitet, die die Bedeutung „Fliegen lernen» und «Lieben» haben) lebendig zu machen. Es drückt die Natur und das Wesen von Bildung aus und entsprechend der Bedeutung dieses Konzepts zu leben. Mit anderen Worten bedeutet „perwerde“ Kinder und Jugendliche vor dem monströsen Bildungssystem der kapitalistischen Moderne zu schützen, sie mit Liebe und Respekt zu erziehen und mit der Philosophie der Freiheit und sozialen Werte groß zu ziehen. Darüber hinaus soll „perwerde“ Kindern und der gesamten Gesellschaft ermöglichen Verantwortung für die Gestaltung und die Bewältigung ihres Lebens zu übernehmen.
Als Voraussetzung für die Etablierung einer ethisch-politischen Gesellschaft wird die Jineolojî jegliche theoretische akademische Anstrengung aufbringen, um den Aufbau von sozialen Bildungsinstitutionen zu unterstützen. Die Jineolojî muss sich intensiv mit Bildungsaktivitäten befassen, um eigene Arbeitsfelder und Mitarbeiter*innen zu schaffen. Bildung ist in allen Bereichen des sozialen Lebens zu einem lebenswichtigen Bedürfnis geworden und muss durch die Perspektive der Jineolojî verbessert werden. Als erste von der Natur Lernende können Frauen die wissenschaftlich-theoretische Akkumulation der demokratischen Moderne nur mit einem äußerst umfassenden Bildungssystem in den Bereichen Wirtschaft, Ökologie, Demographie, Politik, Ethik-Ästhetik, Gesundheit, Geschichte und anderen Bereichen, die in der Zukunft benötigt werden könnten, verwirklichen. Wenn es Frauen gemeinsam mit der Gesellschaft gelingt, ein alternatives Bildungssystem aufzubauen, ist es auch möglich die Gehirne zu retten, die bereits vom kapitalistischen System getötet worden sind, und ihnen Klarheit im Denken zu schenken. Um diese Veränderung und Umwandlung zu schaffen, muss die Jineolojî ein bestimmtes pädagogisches Verständnis und einen pädagogischen Stil entwickeln, der mit den anderen Bereichen der Jineolojî in Verbindung steht.
Bei der Entwicklung eines alternativen Bildungssystems nutzt die Jineolojî entsprechend der Natur der Gesellschaft und ihrer einzigartigen Bedingungen und Bedürfnisse historische Erfahrungen.