Erinnerung an den 74´en Völkermord und Femizid auf die kurdisch-ezidische Gemeinschaft in Shengal (Nordirak)

Ezda Felek


Zahlreiche jahrelange Recherchen, Untersuchungen und Ausgrabungen haben bewiesen, dass die Geschichte des Ezidentums weit zurück reicht und dass sie von den antiken mesopotamischen Religionen beeinflusst wurde. Eine Mischung aus Mithraismus, Mazdaismus, Zarathustra, der Kultur und der Glaube an die Muttergottheit und insbesondere der Verehrung von Tammuz und Ishtar und sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelte. Dessen Wurzel also bis zu 5000 Jahren zurückzuführen ist und ebenso der Schritt für das später entwickelte Kurdentums ist. Eine Religion die eine tiefe seelische Bindung zur Natur und die Kultur der Muttergottheit prägt. Aus diesem Grund sind die kurdischen Eziden ein Volk das den Respekt und die Schätzung alles Lebens um ihnen herum einschließlich gegenüber anderer Völker, Glaubensgemeinschaften, andere Sitten und Gebräuche usw. prägt und als universelle und menschliche Gesetze anerkennt und betrachtet. Demokratie, die Bindung und das Zusammenleben in der Gemeinschaft, das starke Bündnis zwischen der Heimat, Moral und Politik, Frieden, Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit sind in dieser Gemeinschaft unersetzliche Werte die sie bis zum heutigen Tage schützen und ausleben. Da die Natur als heilig angesehen wird und der Ezidischen Gemeinschaften in vielen schweren Zeiten der Herausforderungen und Angriffen sowohl Schutz als auch Nahrung bot, ist dies der Hauptgrund dafür, dass sie als Gemeinschaft stets in Gebirgigen Orte sesshaft wurden. Dementsprechend legen sie viel Wert auf den Schutz und das Wohl der Natur und den Tieren.

Doch da die Kultur der Muttergottheit zusammen mit ihren demokratischen Werten und Gesetzen für Natur und der Gemeinschaft von seitens der machtgierigen kapitalistischen Herrscher nicht toleriert und akzeptiert wurde, war der Beginn der Zeit der Zivilisation, nicht nur der Beginn des kapitalistischen Zeitalters und der kapitalistischen Moderne, sondern auch die Zeit in der die Frau auf die unterste Stufe gestellt wurde. Die Frau die in der erst Kultur aufgrund ihrer Fruchtbarkeit, ihrer Physischen Schönheit, ihrer biologischen Beziehung zur Natur, aufgrund ihrer Beziehung zum Mond und aus vielen anderen Gründen als wertvoll und heilig galt, wurde mit Anfang der Zeit der Zivilisation bis zum heutigen Tage zur Haussklavin, zum Sexobjekt, zur billigen Arbeitskraft, zu einer Ware und Opfer von Vergewaltigungen, Beleidigungen, Unrecht, Massakern und viel mehr. Ebenso ist die Zeit der Zivilisation in Wirklichkeit die Zeit der tausend Hinterlisten, der Lügen, des Ungeheuers des Krieges, der ideolo­gischen Verzerrungen und in Wahrheit eine Ideologie, die um ihr kapitalistisch-imperialistisches System auf Beinen halten zu können, die Gesellschaft und Umwelt zerstört. Doch um an diesem Ziel zu gelangen war es nötig als allererstes die Frau mit unterschiedlichsten Kriegs Formen und Arten zu versklaven und von allen Seiten auszubeuten. Hierbei spielte vor allem die psychologische Kriegsführung eine große Rolle und füllte in diesem unmenschlichen und ungeheuerlichen Plan eine große Lücke. Denn der gezielte Angriff auf die Frau war im selben Moment ein Angriff gegen die gesamte Gemeinschaft, gegen die Natur, die Demokratie, die Freiheit, dem Frieden, der Werte, der Gleichberechtigung…

Da das Ezidentum eine weiterentwickelte Form der Kultur der antiken Muttergottheit ist, durchlebten die ezidischen Gemeinschaften im Laufe der Geschichte eine Reihe von Herausforderungen, darunter Kriege, Genozide und Femizide, Invasionen, Zwangs Konvertierungen zum Islam, Zwangs Assimilationen, Ausbeutung, Überfälle, Unterdrückung, Vertreibungen und Verfolgungen. Diese dazu führten das im Laufe der Jahrhunderte Millionen von Eziden auf grausame Art und Weise ermordet wurden, Zwangs konvertiert sind und aus ihrer Heimat fliehen mussten. Laut Schätzungen gibt es heute Weltweit keine drei Millionen Eziden mehr. Aufgrund der wichtigen Rolle der Frau im Ezidentum und da die Sitten und Gebräuche dieser Religion hauptsächlich von den alten Frauen und Müttern sowohl mündlich als auch praktisch an den Kindern überliefert und weitergegeben werden, haben sie in allen bisherigen Völkermorden auf die Gemeinschaft grausame Femizide erleiden müssen…

Bevor der Genozid und Femizid im Jahre 2014 auf die Ezidische Gemeinschaft in Shengal, der Heimatregion der Eziden im Irak verübt wurde, waren tausende bewaffnete kurdische Peshmerga vor Ort stationiert. Diese flohen und ließen die gesamte Zivilbevölkerung schutzlos zurück. Doch hinderten Sie auch die Eziden daran sich selbst zu schützen in dem sie vor ihrer Flucht den Eziden weder Waffen hinterließen noch zuließen das die Eziden sich vor dem Einmarsch der IS rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten….

Als am 03. August 2014 der IS (Islamische Staat) circa 20 Dörfer und Städte in Shengal (Sindschar) angriff und an den Eziden einen Genozid verübte, wurden tausende Männer und Jungen, einschließlich der älteren, kranken und behinderten Menschen entweder in Massengräbern oder aber mit anderen Methoden hingerichtet. Die kleineren Jungen den Eltern entrissen, mit Zwang zum Islam konvertiert, zu militärischen IS Ausbildungslager geschickt und wurden danach als Kindersoldaten an der Front stationiert und eingesetzt. Neugeborene Babys wurden an islamischen Familien adoptiert. Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt, bei lebendigem Leibe verbrannt, gefoltert, missbraucht, gesteinigt, wie Vieh gefesselt und in sexuelle und häusliche Sklaverei verkauft. Einige Frauen und Mädchen die von der IS befreit wurden berichteten, dass viele ezidische Frauen und junge Mädchen Tagtäglich von 8 bis 18 IS Kämpfern vergewaltigt und für wenig Geld oder für Dingen wie Guthaben Karten fürs Telefon aneinander weitergetauscht wurden. Andere Frauen wurden zusammen mit ihren Kindern in kleinen engen unterirdischen Gefängnissen untergebracht und gefoltert. Außerdem bekamen sie manchmal Wochenlang weder Nahrung noch Trinkwasser. Die Nahrung die sie dann bekamen wurde vorher mit Absicht verdreckt und verschmutzt. Dazu haben viele Monatelang kein Sonnenlicht zusehen bekommen. Kinder die Pausenlos vor Angst, Durst und Hunger schrien wurden umgebracht. Unzählige Frauen die ihre Versklavung und diese Grausamkeiten nicht einfach so hinnehmen und akzeptieren wollten, nahmen sich auf unterschiedlicher Weise und Wegen das Leben. Über 8.000 Eziden sind in diesem Völkermord auf grausamste Weise zu Tode gekommen und tausende Frauen und Kinder wurden entführt– die Dunkelziffer ist noch viel höher. Eine halbe Million Menschen suchten über mehrere Tage bei einer Hitze von über 40 Grad in den Sindschar-Gebirgen nach Zuflucht, wo an Mangel von Wasser und Nahrung nochmal hunderte Eziden mit Kindern ums Leben kamen. Solange bis es Kurdischen Selbstverteidigungseinheiten gelang einen Korridor nach Syrien freizukämpfen, wodurch den Eingeschlossenen Eziden die Flucht aus dem Gebirge ermöglicht wurde. Doch die Überreste der Toten und die Erinnerungen dieser Ereignisse sind auf ewig auf den Sindschar Gebirgen verteilt. Viele heilige Gebetsstätte und antike Orte wurden angezündet und zerstört. Den Eziden ihr gesamtes Eigentum weggenommen. Hunderttausende Eziden flohen in die Autonome Region Kurdistan im Nordirak, wo viele bis heute in Flüchtlingslagern leben und täglich mit schweren Herausforderungen zu kämpfen haben. Die elende Lage vor Ort erschwert es der traumatisierten Gemeinschaft ihre Wunden zu heilen und die wenige Unterstützung der außenstehenden Länder und des irakischen Staates reicht für Wiederaufbau Projekte in Shengal und für den Wiederaufbau allgemein nach der Zerstörung des Krieges nicht aus. Auch der Mangel an Arbeit ist ein Grund dafür, dass die Eziden so schnell nicht zu ihrem Wohnort zurückkehren können…Viele Eziden flohen in dem Genozid in die Türkei und tausende flohen nach Europa. Hunderte ezidische Kinder wurden nach dem Völkermord Weisenkinder und viele Menschen haben in dem Genozid ihre gesamte Familie verloren. In einigen ezidischen Dörfern wo die Bevölkerungszahl vor dem Einmarsch der IS mehrere tausend Menschen betrug, ist kein Überlebender dem Völkermord und keine Frau oder Kind der Versklavung entkommen… Auch nach 9 Jahren nach dem Genozid warten die Eziden in Shengal immer noch darauf, dass die hunderten Massengräber geöffnet und ausgegraben werden, damit sie ihren ermordeten Familienangehörigen und Landsleuten eine traditionelle Beerdigung erstatten können.

Immer wieder hört man in der Gemeinschaft, dass es im Laufe der ezidischen Geschichte unzählige Völkermorde auf die Ezidischen Gemeinschaften gab. Doch keines soll so grausam, so angsterregend und so fürchterlich wie das im Jahre 2014 gewesen sein. Keines so unmenschlich und barbarisch gewesen sein. Niemand von ihnen hätte gedacht, dass dieses Massaker nicht nur in einem Blutbad enden wird, sondern die IS noch dazu es sich zur Aufgabe machte mithilfe der Versklavung aller ezidischen Frauen und Mädchen den Kern des Ezidentums auszurotten und zu zerstören. Sie hätten nicht geahnt, dass die IS so strategisch vorgehen würde und das Ziel hatten in diesem Völkermord für das Ende des Ezidentums zu sorgen.

Auch nach 9 Jahren fehlt immer noch von tausenden ezidischen Frauen und Kindern jede Spur und sind nicht auffindbar. Doch die ezidische Gemeinschaft gibt die Hoffnung und den Glauben nicht auf, dass sie alle eines Tages gefunden werden und zurück zu ihren Familien in die Heimat kehren…

Die Geschichte der Eziden ist geprägt von Schmerz, Verfolgung und Leiden, aber auch von Widerstand und Überlebenskraft. Trotz der Herausforderungen haben die Eziden ihre Kultur und Religion sowohl bewahrt und weiterentwickelt, als auch eine starke Identität und Gemeinschaft aufgebaut. Trotz der zahlreichen grausamen Ereignisse denen sie ausgesetzt waren, haben die Eziden ihre Kultur und Religion bewahrt und sich gegen Unterdrückung und Diskriminierung zur Wehr gesetzt.

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